Bildergeschichte

 

Es war einmal ein reiches Mädchen. Sie hatte sehr reiche Eltern und deswegen war sie also reich. Ihr Vater schenkte ihr einmal ein Bild. Es war ein schönes Ölgemälde. Sie staunte darüber sehr.

Aber der Vater hatte sich etwas ausgedacht. Er sagte: „Dieses Bild verbirgt ein Geheimnis. Hinter dem Bild steckt ein Geschenk. Wenn du das Bild herausreißt kommst du an das Geheimnis.“ Sie zögerte nicht lange und dachte gar nicht daran, ein Stück von dem Gemälde ganz zu lassen. Sofort bohrten sich ihre Fingernägel in die Leinwand und sie riss Stück für Stück und Loch für Loch hinein. Aber es fand sich nichts hinter dem Gemälde.

Der Vater sagte nun: „Dies war ein sehr, sehr wertvolles Bild. Es war das einzige seiner Art und von einem sehr bekannten Maler. Sein Wert betrug eine dreiviertel Million Euro. Aber nun ist es nichts mehr wert. Von nun an wirst du hinter jedem Bild, welches wir im Hause aufhängen zweihundert Euro finden. Merke dir dies, wenn du einmal Geld brauchst.“

 

Das Kind wuchs heran und wenn sie Geld brauchte machte sie ein Bild kaputt. Sie verstand erst sehr viel später, dass nun nur noch billige Poster an den Wänden hingen. Sie dachte immer öfter an das Gemälde und wie es ausgesehen hatte. Sie hatte nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen und es war ihr trotzdem immer in Erinnerung geblieben. Mit fünfzehn Jahren fing sie an sich sehr darüber zu ärgern, dass dieses Bild kaputt gegangen war. Sie ärgerte sich so sehr, dass sie oft mit dem Vater schimpfte, dass er das zugelassen hatte. Als sie sich in einen Jungen verliebte und der sie nach ihrem Benehmen wegen der Bilder befragte, erzählte sie ihm die Geschichte. Er lachte sie zuerst aus und später ärgerte er sich auch darüber und dann zog er sie auch noch damit auf. Deswegen machte sie mit ihm Schluss und sprach fortan niemals mehr mit den Männern die sie liebte über die alte Geschichte. Wenn die Jungs sich wunderten, warum hinter den Bildern Geld versteckt war und blöde Fragen stellten, dann hängte sie ihnen den Rahmen des Bildes um, welches sie gerade kaputt gemacht hatte und sagte: „Du siehst mit Rahmen auch wertvoller aus.“

 

Bald darauf fing sie an sich einzubilden, dass der Vater ihr vielleicht doch nur eine Kopie gegeben habe und sie stachelte die ganze Familie auf, dem Vater doch endlich das Geheimnis zu entlocken, wo er das Original habe weil sie es sich noch einmal ansehen möge. Aber der Vater erklärte jedem der nach diesem wertvollen Bilde fragte, dass es durch seine Tochter zerstört worden sei. Entnervt gab sie auf.

 

Als sie heiratete war es ein Mann, der niemals wegen der Bilder gefragt hatte und den sie auch niemals etwas von dem Geld hinter den Bilder wissen lies. Als ihr Mann aber doch etwas von der Familiengeschichte erfuhr, aber man ihm nichts Näheres sagen wollte, fragte er sie danach. Sie sah ihn an und ging mit Ihm zu einem Bild an der Wand und zerriss es. Dahinter befanden sich wie immer zweihundert Euro. „Das ist das ganze Geheimnis – siehst du.“ sagte sie.

 

Sie bekam bald Kinder und als die Kinder größer wurden erzählte sie denen die wahre Geschichte. Die Kinder waren mit der Mutter traurig über das zerstörte Bild und begannen ihr Bilder zu malen. Aber die Traurigkeit  blieb, weil keines der Zeichnungen dieses Bild nachmachen konnte. Auch als ihre Kinder berühmte Künstler wurden war sie immer noch traurig und etwas verärgert über sich selbst.

Erst als der Vater dieser Frau alt war und verstarb, vererbte er den Enkeln seine Gemälde und tatsächlich war jenes eine Bild darunter. Er hatte es nicht in einen Rahmen eingebunden und es war trotzdem das wertvollste Bild der Sammlung.

 

Die Enkel machten es der Frau zum Geschenk.

 

 

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Tauka

28. Januar 2003