Peinlich

17.11.13

Pireins Auftraggeberin sprach mit Ihren Eltern. Sie war gerade 13 Jahre alt geworden und hieß Stefanie. Ihre Eltern führten ein bedeutendes Unternehmen der Textilbranche. Man hatte sich lange vorher besprochen und Pirein ausgesucht, um die Tochter in das wirkliche Geschäftsleben mit seinen Besonderheiten und Wagnissen einzuführen. Pirein sollte ihr sozusagen als Beispiel für die schlechten Geschäftspraktiken dienen, denen man aber mit Vorsicht und Respekt begegnen musste, da sie oft erfolgreicher werden, als die übliche Praxis es jemals könnte.

Die Familie Stern war auch im politischen Leben engagiert. Steffis Vater war Senator und hatte bedeutende Kontakte mit vielen wichtigen Personen im In- und Ausland.

Aber der 2. Weltkrieg hatte Auswirkungen, welche auch die Sterns beeinflussten. Sie mussten sich in vielen Dingen den Wünschen und Forderungen der Alliierten fügen.

Als man nun erfahren hatte, dass Pirein in seiner Kindheit von einem Amerikaner, der in Deutschland stationiert war, vergewaltigt worden war, war man sich sicher, dass dieser Mann der Richtige für die Aufgabe war.

Selbstverständlich würde man ihm nicht sagen, worum es eigentlich ging. Aber selbst wenn er von selber darauf kommen würde, wäre es zu spät, sobald er seine Einwilligung zu dem Auftrag gegeben hatte. Deswegen wurde jedes Vorgehen genau besprochen, bevor Steffi die nächste Anweisung an Pirein geben würde.  Die Sterns hatten ihn bereits in der Hand, denn die Informationen, die man über Pirein hatte, würden ausreichen, um ihm den Boden in diesem Lande zu heiß werden zu lassen.

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Tropos und Triban hatten geschlafen, ohne zu bemerken, was um sie herum vorgefallen war. Pirein hatte sich verabschiedet, als die Eltern von Tropos und Triban wieder nach Hause kamen und war, mit seinen schlafenden Töchtern im Arm, gegangen. Die Eltern waren etwas angetrunken und gut gelaunt und dachten daher gar nicht daran, dass solch eine Ungeheuerlichkeit vorgefallen sein könnte. Die Mutter sah noch schnell nach ihren Jungs und fand sie schlafend. Dann ging sie auch ins Bett.

Am nächsten Morgen wunderte sich Magdalene nur, dass beide nicht aufstehen wollten und auch den ganzen nächsten Tag nicht wirklich bei sich wahren. Außerdem hatte Tropos allem Anschein nach nochmals ins Bett gemacht, obwohl er aus diesem Alter eigentlich schon längst heraus war.

Magdalene versuchte eine Erklärung für das Verhalten zu finden und rief ihre Freunde an. Besonders die Sterns hörten aufmerksam zu, als Magdalene von dieser Nacht erzählte. Tropos war es natürlich peinlich, dass er ins Bett gemacht haben sollte und deswegen versuchte er darüber nicht zu sprechen, vielmehr war er sauer, dass die Mutter deswegen so ein großes Aufsehen veranstaltete.

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Pirein nahm sich eine größere Wohnung.

Da er ja aus Schleswig Holstein kam und dort auch sein Haus, seine Frau und seine zwei Kinder hatte, war für die Dauer des Auftrags nach Welkoven gezogen.

Er hatte bisher in einem Zimmer, im Haus eines älteren Mannes gewohnt, der seit dem Kriege allein gelebt hatte. Nun hatte er sich immer öfter mit ihm unterhalten und angedeutet, wie schön es doch wäre sich eine junge Frau für den Haushalt zu nehmen und immer wieder gefragt, warum der Alte dieses denn nicht mache, er habe doch genug Geld. Dem war tatsächlich so und als Pirein bekannt gab, dass er ausziehen wollte, bot er dem Herren an, eine Bekannte von ihm in das Zimmer einziehen zu lassen. Der Alte biss an.

Pirein hatte sich überlegt, im Haus des Alten eine Straßendirne einzuquartieren, die für ihn arbeitete. Er hatte sie vor einiger Zeit als  Zigeunerin aus Ungarn angeworben. Dies würde ihm weitere Möglichkeiten verschaffen, für etwaige Informationen, und ihm später die Möglichkeit geben, einen Fuß in der Türe dieser Stadt zu behalten. Sie sollte dem Alten nun den Haushalt führen und ihm schöne Augen machen. Er sagte ihr außerdem, dass sie ein leichtes Spiel haben würde, weil der Mann lange Zeit alleine war und nur einen Adoptivsohn habe, der aber im Streit ausgezogen wäre, weil der Alte zu tyrannisch sei.

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Aber Pirein beschäftigte hauptsächlich der Gedanke, dass die Familie Stern soviel Geld für die Belanglosigkeit ausgegeben hatte, nur weil ein befreundetes Elternpaar seine Kinder ab und zu mit Ohrfeigen in der Öffentlichkeit bestrafte. Er sah sich seine Notizen an, auf welcher ganz obern der Name "Kück" stand. Dies ist also die Familie, die ihre Kinder züchtigt dachte er. Es musste doch mehr dahinter stecken. 

Er horchte weiter in die Sache hinein und erfuhr dass die Familie Kück, ein Pferd hatte und im Reitverein als Besitzer eingetragen war. Auch er meldete sich an und gab wieder vor, der Dr. Pirein zu sein der Reiten lernen möchte. Aber bei seinen ärgerlichen Versuchen sein Geld nicht in eine Unnutze Sache zu investieren reizte er die Reitvereingesellschaft. Sie erkannten bald, dass sich hier ein geiziger Despot einschlich. Nicht zuletzt weil seine Auftraggeberin es nun verstand, ihn nicht zu weit in diese Gesellschaft vordringen zu lassen. Sie war auch im Reitverein und sprach verschiedene Dinge hinter vorgehaltener Hand an, die Pirein lächerlich machten. Er raste deswegen vor Wut. Aber sein Verlangen nach dem eigentlichen Grund für den Auftrag zu forschen stieg.  

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Pirein suchte wieder in früheren Begebenheiten rund um die Familie Kück. Er erkannte, dass sich ein Zusammenhang ergeben musste, der in der Vergangenheit dieser Familie zu suchen war. Dabei stellte er fest, dass die Mutter der Kinder eine Lehre bei einer Bank gemacht hatte und legte Teile seines Geldes bei dieser Bank an. Er sprach sehr ausführlich mit den Bankangestellten und horchte auch diese aus. Sein Vermögen war ja nun beträchtlich angewachsen und das Geld, was ihm aus den früheren Arbeiten im Milieu und mit den Zuhältergeschäften zur Verfügung stand, halfen ihm bei der Bank in die gehobene Kundenklasse zu gelangen. Er verstand es außerdem die Bankangestellten gegeneinander auszuspielen, so dass sie ihm Informationen gaben, die sie eigentlich nicht herausgeben durften. Dennoch erfuhr er nur, dass die Familie Kück nicht so vermögend war, wie es den Anschein hatte. Zwar war Geld vorhanden, aber nur ein kleines Polster, das durchaus ausreichte, es sich gut gehen zu lassen. Der meiste Anteil der Gelder der Familie Kück steckte in dem Haus und der Firma, dass die Familie hatte. Es war eine kleine Façondreherei.

* * *

Pirein dachte nun daran, dass es möglich sei, dass seine Auftraggeberin die Fabrik haben wolle und nun versuchte die Familie Kück auf irgend eine Weise bloß zu stellen. „Vielleicht,“ so dachte er  „soll ich nun die Gründe liefern und auch noch die Bloßstellung vollziehen." Es hätte insofern kein Auftrag bestanden und wenn die Sache schief gehen würde, könne man nicht seine Auftraggeberin belangen. Er würde das Geld nicht von einer Auftraggeberin erhalten. Er musste versuchen die selben Beweggründe vorzutäuschen, die seine Auftraggeberin geleitet haben mochten, um später, zu geeigneter Zeit, schneller zugreifen zu können als sie.

Die Uhr lief gegen ihn. Schließlich war es für ihn überlebenswichtig, nicht zu sehr aufzufallen. Er hatte sich durch seine Zuhältergeschäfte keine sichere Existenz aufgebaut. Sein Orionaut Verlag konnte ihn verraten und seine wahren Hintergründe würden ihn in die Öffentlichkeit rücken, ihn selber Bloßstellen und Ruinieren, wenn eine Kampagne gegen ihn gestartet würde. Er musste sich Entscheiden, ob er sein Versprechen, diesen Auftrag auszuführen, für die nächsten drei Jahre halten würde, oder nicht. Wenn er den Auftrag aber jetzt abbrach, würde er für alle weiteren Aufträge unglaubwürdig werden und niemand würde ihn je wieder engagieren.

Dies war der Grund, warum er seinen Schul-, Busen- und Naturfreund Frey anrief und ihm seinen Verlag verkaufte. Der wollte schon lange an den Geschäften von Pirein partizipieren und willigte sofort in das Geschäft ein. Pirein wollte nun "sauber" werden.

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Danach ging Pirein zum Angriff über. Er überlegte sich, wie er die Familie Kück lächerlich machen konnte, ohne sich selber zu sehr als Außenseiter hinzustellen. Er suchte sich als erstes Ziel den Vater der Familie aus. Der erschien ihm als weich und zerbrechlich. Es gelang ihm, im Reitverein eine kleine Gruppe um sich zu scharen, die es für besonders wichtig erachteten, dass ein Pferd täglich gepflegt wird. Es sollte nicht nur geritten werden, sondern auch täglich gestriegelt und der Stall gereinigt werden. Ebenso erklärte er anderen Reitern, dass sich die Spreu vom Weizen trennen werde und diejenigen, welche nur Bauern seien und ihre Pferde lediglich unterstellten und diejenigen, die nicht genügend Geld haben für eine Versorgung ihres Pferdes, entweder den Reitverein verlassen würden, oder sich tatsächlich intensiver um ihr Pferd kümmern werden.

Dann redete er vor anderen Reitvereinsmitglieder den Familienvater schlecht. Manche Leute können doch nicht reiten und solche Leute würden doch ein Pferd gar nicht schätzen. Er sprach aber nicht in direkter Weise über den Vater und vor allem nicht in seinem Beisein, sondern immer so als würde er eine Gruppe um diesen Mann meinen, dessen Mittelpunkt aber der Vater der Familie Kück war. Schließlich kamen seine Anspielungen auch an die Ohren des Vaters. Kück fühlte sich zunächst zu einem überraschten Lachen genötigt, da er gar nicht mit solch einer abfälligen Anrede gerechnet hatte. Kück war allseits beliebt und die Reitfreunde schätzten ihn als lustigen Vereinsbruder, der gerne mal zu Späßen aufgelegt war. Und sein Reitstil in Abrede zu stellen war tatsächlich etwas gewagt, da er schon als Kind geritten hatte und wusste mit einem Pferde umzugehen. Er fühlte sich herausgefordert. Aber Pirein hatte nicht wirklich seinen Reitstil gemeint. Er wollte die Reaktion abschätzen und als er bemerkte, das der so Angegriffene sich der Herausforderung jetzt gerne stellen würde, ließ er plötzlich von ihm ab und zog sich zurück.

Doch zuerst forderte er die Gruppe seiner Mitstreiter im Verein dazu auf, den Mann etwas stärker einzubinden. Sie taten dies auch und auf diese Weise wurde der Vater besonders gerne zu Vereinsreden, Turnierwettkämpfen und Trinkspielchen eingeladen.  

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Dreckberg

Autor:

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