Der geheime Hexenbericht

17.11.13

Vorweg lassen Sie mich Ihnen, lieber Leser, erklären, dass es nicht ungefährlich ist, einer Hexe zuzuschauen, noch gefährlicher ist es aber, ihr Treiben zu beobachten und anschließend einen Bericht darüber zu veröffentlichen.
Ich hatte meine Instruktionen genau studiert und war unterwegs mit Passanten, um den Hexen und ihren Schrecken zu begegnen.

Beheimatet in vielen Orten der Welt, treffen sie sich manchmal in Süddeutschland zum Faschingsdienstag, kurz vor dem Tag des Einschlafens. 

 

Baden Württemberg ist schon öfter ihr Treffpunkt gewesen und ich durfte vermuten, dass es dieses Jahr eine größere Zusammenkunft geben werde. 

Meine Informationen entnahm ich aus den Berichten über die diesjährigen olympischen Spiele in Turin, welche bereits von Zauberern, Teufeln und Engeln besucht worden waren und den Hinweisen auf die bevorstehende Fußball Weltmeisterschaft in Deutschland.

Die deutlichsten Hinweise aber, hatte ich ein paar Tage zuvor erhalten. 

Ich war in den Wäldern spazieren gegangen. 

Bei einem meiner Spaziergänge entdeckte ich im Hochdorfer Staatswald seltsame Merkmale. 

 

Sogenannte Hexenzeichen.

Zunächst sah ich Stapel von Hölzern. 

Weitere Hölzer waren aufeinander geschichtet, wie bereitgelegt, ein großes Feuer zu errichten. 

Das Holz war frisch geschlagen und ich besah mir die Baumstümpfe. 

 

Ich erkannte, dass es nicht nur kranke Hölzer waren, welche hier gefällt worden waren. 

Einige der Bäume waren gesund. 

Hexen, so wusste ich, bevorzugen gesundes Holz. 

Selbst sind sie zumeist aus einem Holz geschnitzt, welches jahrelang beobachtet und umhegt wurde. Der Hochdorfer Staatswald konnte solch ein Ort sein.

Aufgeregt nahm ich die Spur auf. Ich ging tiefer in den Wald hinein und entdeckte auf meinem Weg Blätteranhäufungen. 

Es konnte nicht sein, dass der Wind solche Haufen von Blättern erzeugt. 

Ich entnahm einem Haufen eine Probe und sollte später zuhause erfahren, dass Hexen manchmal mit dem Laub spielen und derartige Haufen zum Vergnügen erstellen. 

Die Hexen hoffen vielleicht, dass Waldspaziergänger abhalten werden, tiefer in die Brutstätte einer Hexengemeinschaft vorzudringen.

Ich verließ den Waldweg an einem einzelnen, unheimlich aussehenden Nadelbaum. 

Der Weg, den ich nun beschritt, war verwunschen und dunkel. 

Morast und Baumstämme, von dickem Moos überzogen, stellten sich mir in den Weg. 

 

Und dann ein uralter Opferstein der Hexengemeinschaft. 

Ich wusste hier waren gruselige Hexen versammelt, um ihrer Schreckensherrschaft den notwendigen Nachdruck zu verleihen.

Dennoch überwand ich mich, die eindeutigen Hinweise auf Hexentätigkeit und die damit verbundene Angst zu überwinden. 

Ich drang tiefer in den Wald ein.

Plötzlich und unvermittelt stand ich dort, vor einer ungewöhnlichen Hexenarbeit aus Holz. 

 

Wie angewurzelt blickte ich auf ein, in der Mulde des Waldes, eingebettetes Hexenversteck. 

Nun gab es keinen Zweifel mehr. Sie waren dort gewesen. Ich hatte ihr Hexenhaus entdeckt. 

Ein Haus mit einem kleinen Hexengarten und gefegtem Innenraum. 

Ich ging vorsichtig hinein. 

Durch die Pforte konnte ich einen Baumstumpf entdecken. 

Einen Hexentisch. 

 

 

Der zweite Ausgang führte in ihren kleinen Waldgarten

Hier pflanzten die Hexen wahrscheinlich Pilze und Kräuter.

In unmittelbarer Nähe des Hauses waren Hexenspielzeuge zu finden. 

Sie waren hier versammelt gewesen. 

Aufgeregt versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Konnte es sein, dass gleich eine Hexe, wie aus dem Nichts erscheint und mich einsperrt? 

Mich vielleicht sogar mitnimmt in ihr Hexenreich, oder einfach nur zum Frühstück verspeist?

Mir wurde klar, dass ich an diesem Ort nicht länger verweilen durfte. Ich konnte jederzeit entdeckt werden. Vorsichtig ging ich weg von diesem Ort. 

Ich vermied es verräterische Knacklaute von zerberstenden Holzstücken unter meinen Füßen zu erzeugen. Jede Unachtsamkeit konnte schlimme Folgen für mich haben. Alleine, dass ich die Hexenzeichen erkannt hatte, musste für jede Hexe einen Wutanfall bedeuten. Ihre Augen würden hervorquellen und jeden hypnotisieren, der einen Blick in ihre Richtung warf. Aus heiterem Himmel würde die Hexe auf mich zukommen und mich überfallen. Ich durfte sie niemals in die Stimmung versetzen, mich zu einem ihrer Opfer werden zu lassen, dass war sicher.

Zuhause angekommen, studierte ich nochmals die Berichte und Sagen. Ich fand heraus, dass es sich wahrscheinlich um eine äußerst geheime Stätte der Hexenschneiderei handelte. In der Hexenschneiderei werden die Kleider und Gewänder der Hexen für die bevorstehende Zusammenkunft vorbereitet. Wer eine Hexe bei diesem Treiben beobachtete, musste mit dem Allerschlimmsten rechnen. Selbst der Teufel und seine gefallenen Engel würden eine Hexe nicht dabei beobachten wollen, wie sie ihre Kleider pflegt. Es wäre sogar für den Fürsten der Hölle zu gefährlich.
Einige Tatsachen sprachen nun dafür, dass sie mich nicht entdeckt hatten. Zum Einen waren sie bereits mit ihren Vorbereitungen so weit fortgeschritten, dass ich annehmen durfte, sie haben den Platz der Hexenschneiderei verlassen. 

Zum Anderen hätte mich jede Hexe bis in mein Quartier verfolgt, wenn sie von meinen Beobachtungen gewusst hätte.

Am Dienstag den 28. Februar 2006 war Tag der Narren in Stuttgart. 

Es war überaus Wahrscheinlich dort einer Hexe zu begegnen. 

Sie erkannt zu haben und dennoch unerkannt von diesem Ort zu entkommen, übte einen faszinierenden Reiz auf mich aus. Ich durfte darauf hoffen, dass mich die Hexen nicht sehen würden, selbst wenn sie ihren ausgezeichneten Geruchssinn einsetzten. 

Es sei denn, eine der Hexen war aus irgend einem Grund zu der Hexenschneiderei zurück gekehrt und hatte meinen Geruch aufgenommen. 

Nach einigem Überlegen machte ich mich auf den Weg. Ich kleidete mich als unauffälligen Angestellten der Deutschen Bahn.

Nachdem die ersten Kappellen vorbeigezogen waren, kamen die Begleiter der Hexen. 

Narren und Schausteller, Musikanten und alle denkbaren Arten von seltsamen Geschöpfen kongenialer Hexengemeinschaften erschienen. 

Ich stand in der Menschenmenge am Rand der Prozession. 

Und dann war sie da. Die Hexe

Einen Augenblick lang starrte sie mich an, als schien sie etwas zu überlegen. Dann rannte sie in meine Richtung. 

Erschrocken wichen die Menschen zurück. 

Sie sah sich unter den Passanten um und erblickte wohl auch mich, aber Hexen sehen wahrscheinlich auf die kurze Distanz weniger als auf die weite. 

Sie griff sich den Mann, der direkt vor mir stand und beschnupperte ihn. „Girrrrrrrrrr!“ machte dieses unheimliche Geschöpf aus einer anderen Zeit und Welt. Ich stand versteinert da und blickte auf das Geschehen. Unvermittelt lies die Hexe von dem Mann ab und rannte weg. So plötzlich wie diese Attacke passiert war, so schnell war sie auch wieder vorbei.

Ich folgte der Prozession noch einen Moment, ging dem Wagen mit der "Roten Laterne" nach, machte mich dann aber schnell auf den Weg in die Redaktion, um meine Beobachtungen zu veröffentlichen.

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Autor:

Iren Buchdruck

Quelle

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